Ich habe im Januar 2020 angefangen, als Ärztin zu arbeiten. An meine ärztliche Tätigkeit vor der weltweiten Covid-19-Pandemie kann ich mich kaum noch erinnern – schließlich waren es nur ein paar Wochen. Von den ersten Covid-19 Patienten über den Einsatz auf der Infektionsstation und meiner Tätigkeit als Impfärztin habe ich viele Aspekte der Pandemie am eigenen Leib erfahren. Im Januar 2021 war ich eine der ersten in meinem Umfeld, die geimpft wurde. Im Februar 2022 hat es mich dann trotz Booster erwischt
Die ersten Fälle
Ich glaube, dass ich schon im Februar des Jahres 2020 meine erste Covid-Patientin hatte. Die Patientin war gerade von einer Indien- Reise zurückgekehrt und hatte schwere Luftnot, Husten, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Kopfschmerzen. Alles Beschwerden, die typisch für eine Covid-Infektion sind. Dazu passte auch die Reise in der Vorgeschichte (damals gab es noch keine bekannten Fälle in Deutschland) und die Tatsache, dass keine anderen „Tropen-Krankheiten“ nachgewiesen werden konnten. Damals gab es allerdings auch noch keine Möglichkeit, die Patientin auf das Virus zu testen. Es gab auch kaum Erkenntnisse, wie das Virus übertragen wurde. Deshalb hatte ich Angst, als ich zu der Patientin ins Zimmer gehen musste, um sie zu untersuchen und ihre Vorgeschichte aufzunehmen. Zur Sicherheit stattete man mich mit der besten Schutzausrüstung aus, die wir hatten (die heutige Covid-Standardausrüstung: Visier, FFP2-Maske, Kittel, Handschuhe). Einiges davon hatten wir gar nicht bei uns auf Station und ich musste mir die Sachen in der Lungenheilkunde holen, wo wir gelegentlich Tuberkulose-Patienten versorgen. Die Patientin erholte sich erfreulicherweise und konnte kurze Zeit später entlassen werden.
Einsatz auf der Infektionsstation
Die Covid-19 Pandemie nahm ihren Lauf und immer mehr Fälle wurden auch in Deutschland bekannt. Anfang/Mitte 2020 gab es noch keine Schnelltests. Bei den Patienten mit Fieber, die wir ins Krankenhaus aufnahmen, konnten wir Covid erstmal nicht ausschließen, bis wir das Ergebnis des PCR-Testes erhielten. Daher wurde bald eine Infektionsstation eröffnet. Das Personal dafür gab es natürlich nicht. Deshalb wurde eine andere internistische Station dafür geschlossen – meine Station.
Die Station auf der ich bis jetzt gearbeitet hatte, gehörte zur gastroenterologischen Klinik. Hier wurden Patienten mit Magen-Darm-Erkrankungen behandelt. Das Problem daran war, dass natürlich nicht weniger Patienten mit Magen-Darm-Beschwerden über die Notaufnahme zu uns kamen, nur weil gerade Covid-19-Pandemie war. Es konnten auch nicht alle planbaren Untersuchungen abgesagt werden. Zum Beispiel gibt es Patienten, bei denen eine Krebserkrankung vermutet wird. Diese Patienten brauchen zeitnah ihre notwendigen Untersuchungen. Die Schließung der Station führte dazu, dass gastroenterologische Patienten als „Außenlieger“ im ganzen Haus verteilt waren. Meine Visite machte ich von nun an auf drei unterschiedlichen Stationen, wo ich jedes Mal einen Arbeitsplatz, die schriftlichen Akten und die zuständige Pflegekraft suchen musste. Gerade wenn ich auf einer Station angekommen war, klingelte mein Telefon und auf der anderen Station brauchte jemand eine neue „Nadel“, wollte mit mir sprechen oder hatte Bauchschmerzen. Diese Zeit war sehr anstrengend, zumal ich gerade Berufsanfängerin war.
Im Verlauf wurde ich dann versetzt, wie es bei uns im Rahmen der Ausbildung üblich ist. Bevor ich jedoch in die Lungenheilkunde wechselte, wurde ich auf der Infektionsstation eingesetzt. Hier gab es einen Verdachtsbereich und einen Bereich für die positiv auf Covid-19 getesteten Patienten. Im Verdachtsbereich lagen Patienten, von denen wir noch kein PCR-Ergebnis hatten.
Über Covid-19 hatte ich logischerweise noch nichts im Studium gelernt, viele Dinge wurden auch erst im Laufe der Pandemie bekannt. Es war eine neue Erfahrung für mich, dass sich die Empfehlung für die Behandlung schnell änderten. Ich merkte, wie ich nach und nach ein Gefühl dafür entwickelte, wie die Patienten sich entwickeln würden. Einmal mehr habe ich festgestellt, dass eine gute Untersuchung des Patienten manchmal aussagekräftiger ist, als Laborwerte. An ein Beispiel kann ich mich besonders lebhaft erinnern. Ein mittelalter Mann kam zu Fuß aus der Notaufnahme zu uns. Er sah auf den ersten Blick nicht besonders beeinträchtigt aus und ich habe mich schon gefragt, warum die Kollegen aus der Notaufnahme ihn überhaupt ins Krankenhaus aufgenommen hatten. Ich untersuchte ihn. Er gab keine Beschwerden, insbesondere keine Luftnot an. Als ich seine Atemfrequenz zählte, war ich jedoch überrascht. Er atmete 40 Mal pro Minute. Doppelt so oft wie normal. Die Sauerstoffsättigung betrug nur 95%, obwohl er schon Sauerstoff über die Nase bekam. Offensichtlich waren seine Lungen gerade bei zu versagen. Der Patient kam abends auf meine Station. Im Laufe der Nacht sank seine Sauerstoffsättigung immer weiter, obwohl er weiterhin viel zu schnell atmete. Noch in derselben Nacht musste ich ihn auf die Intensivstation legen. Am nächsten Tag musste er künstlich beatmet werden.
Hier endet der erste Teil meines Erfahrungsberichtes. Arbeitet ihr auch in einem Bereich, der besonders von der Pandemie betroffen ist oder war? Habt ihr in Krankenhäusern andere Erfahrugnen gemacht als ich? Ich freue mich über eure Berichte in den Kommentaren! Bald gibt es noch einen zweiten Teil, in dem ich von meiner Arbeit in der Notaufnahme, der Impfung und meiner Covid-Infektion berichte.